Tipp 6

Sonntag, 12. Februar 2006

Tipp 6: Billigzigaretten

Da haben Sie nun einmal eine Möglichkeit (noch) ganz Kosten sparend Ihrer Liebsten eine Riesenfreude zu bereiten, wenn Sie mit einem Schubkarren voller Zigaretten-Stangen vor ihrer Haustür aufkreuzen. Und dabei verteidigen Sie gleichzeitig neoliberale Prinzipien, nämlich etwa das Recht, wann und wo immer man will sich mit allen erdenklichen Substanzen zuzudröhnen und eindeutige Duftspuren zu hinterlassen. Denn das geht einem wirklich an die Nieren: dass man in der heutigen Zeit wirklich noch so gemein sein kann und an das Wort „Mindestpreis“ auch nur denken mag, hat uns wirklich tief erschüttert und die gesamte Redaktion für einige Tage total aus der Bahn geworfen.

Ein überzeugter Neoliberaler ist natürlich Raucher, denn das Rauchen, das rücksichtslose selbstverantwortliche freie Abbrennen eines Glimmstängels gehört einfach dazu zum neoliberalen Lebensgefühl. Wenn die Moral- und Gesundheitsapostel dann ankommen mit ihren Jammereien von wegen „Suchtgefahr“ und „Langzeitschäden“ setzten wir nur unser überlegenes souveränes Lächeln auf, denn das lässt uns kalt. Wir als freiheitsliebende Menschen lieben die Selbstbestimmung und lassen uns von niemandem sagen, ob uns das Rauchen schadet oder nicht, das entscheidet ganz allein unser persönliches Kosten-Nutzen-Kalkül. Immerhin denkt der Homo Oeconomicus rational seinen Bedürfnissen entsprechend. Und es bedarf über den Markt geregelter, preislich konkurrenzfähiger Billigzigaretten! Wenn dann auch noch die ökonomischen I-Tüpferl-Reiter auftauchen, die meinen die Atemluft sei ja ein öffentliches Gut, das die Raucher verpesten würden und somit in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Nichtraucher eingreifen, dann zeigt das nur eines: all dieses Gerede von öffentlichen Gütern, fehlendem Ausschlussprinzip und Marktversagen ist doch nur Blödsinn. Würde man so argumentieren wären ja die Nichtraucher selbst ein Wolf im Schaafspelz, da sie sich in bester Schumpeterischer Manier als Freerider aufspielen. Was soll diese ewige Jammerei der Passivraucher?! Die profitieren doch am meisten: rauchen auf unsere Kosten und müssen den blauen Dunst noch nicht mal durch Filter ziehen. Tatsächlich lässt sich aber alles garantiert profitorientiert vermarkten, wenn man nur die richtige neoliberale Einstellung mitbringt. Wem die Luft zu dünn wird der kann sich ja eine Sauerstoffmaske zulegen. Und wenn es jemandem nicht passt, dass geraucht wird: es hindert ihn ja keiner daran den Raum zu verlassen, wir sind hier ja total (neo)liberal und schränken keinen in seiner Reisefreiheit ein. Sonst soll er uns halt verklagen auf Schadenersatz wegen Körperverletzung, dann tragen wir das Ganze gleich ordentlich vor Gericht aus und nicht im Stammbeisl. Und wenn’s den dort arbeitenden Kellnern nicht passt, können sie ja kündigen und fortan im ständigen Schneeschippeinsatz stehen. Dann stehen sie von früh bis spät in der Kälte, ertüchtigen sich selbst und können ihrem Frischluftfetischismus frönen. So haben sowohl sie als auch wir unsere individuelle Selbstverwirklichung gefunden und können glücklich nebeneinander leben ohne uns gegenseitig in unserer grenzenlosen Freiheit zu stören.

Es ist außerdem schon mal ein Lügenmärchen, dass der Raucher der Allgemeinheit überdurchschnittlich auf der Tasche liegt. Raucher belasten das Gesundheitswesen nicht im Übermaß, könnten sie doch gar nicht. Sie haben ja nur eine Hand frei. Vielmehr helfen sie auch noch Ressourcen zu sparen. Denn ein Raucher mit einer niedrigeren Lebenserwartung ist nicht nur sozial verträglicher sondern schont überdies auch das eh schon auf wackeligen Beinen stehende Pensionssystem in dem er sich und seiner Umgebung ein langes Leben erspart. Der solidarische Beitrag kann doch beim Raucher, der seine Pension eh nur mit Ach und Krach erlebt viel effizienter genutzt werden als beim womöglich bis zu 100-Jährigen Abstinenzler. Und bitte, dass das Gesundheitssystem des Sozialstaats nicht funktioniert ist ja wohl nicht den Rauchern anzukreiden sondern seiner fehlenden Flexibilität. Wer den Bürger so bevormundet und ihm jede Viagra-Tablette kostenlos in den Hals schiebt, sollte nicht mit Steinen auf andere werfen, die in überzeugter Selbstverantwortung und Rationalität für die Freiheit ihrer Lungenflügel kämpfen. Selbstbestimmung ist dabei das Zauberwort, der mündige Bürger weiß schon, ob er sein hart verdientes Geld lieber für schwere (weil erwerbslose) Tage anlegt oder im hier uns jetzt für eine Zigarette ausgeben will.


Aber ist das nun wirklich ein liebestaugliches Valentinstagsgeschenk? Mit Sicherheit – sagen wir. Noch nie was von der Zigarette danach gehört? Oder denken Sie, dass Sonny Crockett so gut bei den Damen angekommen wäre, hätte er nicht in jeder „Miami Vice“-Folge eine Packung Zigaretten geraucht. Also schnüren Sie das Päckchen Zigaretten zu, ziehen Sie sich ihren schicken weißen Anzug und ihr türkises Shirt an und stecken Sie sich den neoliberalen Button mit der Aufschrift „smoke for freedom!!“ ans Revers.

Unser Leitmotiv dieser Serie „love is in the air“ ist ja gerade als Synonym zu sehen für schönen schwadenartig sich dahin ziehenden Zigarettenrauch

Neoliberalismus macht Spaß!

Hallöchen!

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